Medienmitteilung Gemeinde Obersiggenthal zum GVK Raum Baden und Umgebung vom 7. Juli 2025

07.07.2025

Gemeinderat Obersiggenthal lehnt den kantonalen Kriterienkatalog für eine lange Zentrumsentlastung ab
Die Landstrasse in Nussbaumen führt mitten durch dichtes Siedlungsgebiet. Sie wird werktags von rund 23'000 Motorfahrzeugen befahren (Stand 2019). Damit ist sie nach der Bruggerstrasse in Baden die am zweitstärksten belastete Kantonsstrasse in der Region. Die kantonalen Prognosen gehen davon aus, dass die Verkehrsbelastung ohne Massnahmen im Jahr 2040 auf rund 25'000 Motorfahrzeuge steigen würde. Werden die Massnahmen aus dem GVK umgesetzt, soll diese Belastung unter den heutigen Wert fallen.

Der Gemeinderat Obersiggenthal unterstützt deshalb die beschlossenen Massnahmen des GVK vollumfänglich und möchte die auf dem Gebiet der Gemeinde Obersiggenthal vorgesehenen Massnahmen umsetzen. Ebenfalls war er damit einverstanden, dass die Projektierung einer langen Zentrumsentlastung (ZEL lang: Tunnel unter dem Siggenthaler Feld und hinter Kappelerhof bis an den Autobahnanschluss Neuenhof) erst nach Erfüllung konkreter Kriterien gestartet werden soll. Dabei war und ist ihm aber wichtig, dass es sich dabei um griffige und messbare Kriterien handelt, welche eine solch umfangreiche Projektierung auslösen.

Mit dem nun vorliegenden Vorschlag des Kantons zu den Umsetzungskriterien für eine ZEL lang ist der Gemeinderat Obersiggenthal jedoch nicht einverstanden. Er setzte sich intensiv mit der Fragestellung auseinander und stellte Gegenanträge an die Behördendelegation des GVK, welche diese jedoch ablehnte:

• Der Gemeinderat Obersiggenthal ist damit einverstanden, dass zunächst andere, schneller umsetzbare Massnahmen des Gesamtverkehrskonzeptes Raum Baden und Umgebung ergriffen werden, bevor die Projektierung einer langen Zentrumsentlastung startet. Dabei soll der Fokus aber auf Massnahmen im engeren Wirkungsbereich einer langen Zentrumsentlastung liegen, denn diese hat ihrerseits nicht in der ganzen Region Baden dieselbe Wirkung.

• Der Gemeinderat stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass sich Gemeinde- und Kantonsvertreter gemeinsam auf sinnvolle Massnahmen mit dem grössten Einfluss verständigen sollten.

• Die beabsichtigte Wirkung dieser Massnahmen soll definiert und nach der Realisierung gemessen werden. Dabei sollte eine Plausibilisierung der Feststellungen anhand der Verkehrsentwicklungen und Beobachtungen im Gesamtraum stattfinden. Die vorgeschlagene Wirkungskontrolle des Kantons ist dem Gemeinderat hingegen weitgehend zu unbestimmt und wenig verbindlich, wartet zu lange die Umsetzung einer Vielzahl von Massnahmen ab, und weitet den Beurteilungsraum auf den Gesamtraum aus bis nach einer zusätzlichen Güterabwägung eine Projektierung in Betracht gezogen werden kann.

• Diese Güterabwägung könnte die an den Kriterien gemessene Dringlichkeit einer ZEL lang erneut relativieren und deren Umsetzung wiederum in Frage stellen und zum Nachteil des direkt betroffenen Siggenthals auf Jahre verzögern.

• Der wichtigste Punkt für seine Ablehnung ist dem Gemeinderat jedoch folgender Aspekt:

Bei der Erarbeitung der Massnahmen wurden Zielerwartungen formuliert (zum Beispiel Zunahme von Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs, Zunahme des Veloverkehr) und anhand eines Verkehrsmodells prognostizierte der Kanton die Verkehrszahlen für das Jahr 2040 nach Umsetzung der Massnahmen.

Gestützt auf diese Zielerwartungen sollte nach Meinung des Gemeinderats ein verbindlicher Zielpfad bis 2040 festgelegt werden, um laufend den Fortgang und den Erfolg zu überprüfen. Bei Abweichungen von diesem Zielpfad sollten nach Auffassung des Gemeinderates die Ursachen ermittelt und überprüft werden, ob sich eine Rückführung auf den definierten Zielpfad mit der Umsetzung weiterer definierter Massnahmen (überhaupt) erreichen lässt. Wenn sich dabei abzeichnet, dass die Abweichung dauerhaft ist und auch die Realisierung dieser zusätzlichen Massnahmen keine Korrektur verspricht, sollte bereits vor der vollständigen Umsetzung aller als zwingend angegebener Massnahmen, eine Projektierung für eine lange Zentrumsentlastung angestossen werden.

Beim Verkehrsgeschehen im Raum Baden und Umgebung handelt es sich nicht um ein geschlossenes System, welches sich nach fest vordefinierten Regeln weiterentwickelt. Veränderungen ausserhalb und innerhalb dieses Raumes können Verkehrsmenge und die -ströme in der Region Baden stark beeinflussen und verändern.
Als Beispiele können künftige Entwicklungen im unteren Aaretal und im süddeutschen Raum angeführt werden: der Bau von zusätzlichem Wohnraum in Döttingen, der Ausbau der Autobahn zwischen Rheinfelden und Tiengen in Deutschland oder die Hightech Zone in Würenlingen mit Ansiedlung von Betrieben mit starkem Bezug zur Forschung.
Eine regionale Veränderung ist bereits angekündigt: Der im April 2025 kommunizierte mögliche Zuzug einer internationalen Industriefirma mit bis zu 3'000 Angestellten in Wettingen.

Dies sind jedoch lediglich die bereits heute bekannten Einflussgrössen. Es ist damit zu rechnen, dass bis im Jahr 2040 und darüber hinaus weitere, heute noch nicht vorhersehbare Entwicklungen mit Auswirkungen auf den Verkehr stattfinden werden.
Obersiggenthal musste leider in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit kantonalen Verkehrsplanungen machen: Vor dem Bau der Siggenthaler Brücke sowie dem Tunnel und der Sperrung der Schiefen Brücke in Ennetbaden in den frühen 2000er-Jahren nahmen die Planer an, dass sich der Verkehr gleichmässig auf beide Seiten der Limmat auf Obersiggenthal und den Kappelerhof verteilen würde. Leider war dies ein Trugschluss - die tatsächlichen Verkehrszahlen sprechen eine deutlich andere Sprache. Obersiggenthal ist also ein gebranntes Kind, welches das Feuer scheut. Umso wichtiger ist es für den Gemeinderat sicherzustellen, dass rechtzeitig mit der Projektierung einer langen Zentrumsentlastung beim aktuellen GVK Raum Baden und Umgebung begonnen wird, wenn sich die Verkehrszahlen der Modellrechnung nicht bewahrheiten sollten.

Ausserdem unterstreicht der Gemeinderat, dass er die neu geplante Buslinie zwischen den Bahnhöfen Turgi und Niederweningen unterstützt. Diese Direktverbindung soll rasch in Betrieb genommen werden, um den stark belasteten Verkehrsknoten Baden zu entlasten. Gleichzeitig soll diese Verbindung den Einwohnerinnen und Einwohnern von Obersiggenthal, Freienwil und Ehrendingen eine direkte Anbindung an die Bahnhöfe Turgi und Niederweningen ermöglichen und bislang ungenügend erschlossene Gebiete innerhalb von Obersiggenthal besser an den öffentlichen Verkehr anbinden.

Auskunftspersonen:
Gemeindeammann Bettina Lutz Güttler 056 296 22 00 (bettina.lutz@obersiggenthal.ch)
Gemeindeschreiber Jürg Stucki 056 296 21 15 (juerg.stucki@obersiggenthal.ch)